Eine Wahl nur zwischen Diktatur und Islamismus?
Ergebnisse des Workshops und der Podiumsdiskussion zu Lage und Perspektiven der arabisch-islamischen Welt mit Prof. Bayeh, Dr. Niedermeier und Dr. Ridder am 29. Juni 2018
Im Workshop mit Podiumsdiskussion zur aktuellen Lage und möglichen Perspektiven in der arabisch-islamischen Welt ging es vor allem um die Frage, welche Optionen sich den Ländern der Region nach dem einstweiligen Abflauen des sogenannten Arabischen Frühlings bieten. Vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung von an-Nahda, der arabisch-islamischen Renaissancebewegung im 19. Und 20. Jahrhundert, die von der Rivalität der einander kontrastierenden Ideen von arabischem Nationalismus und islamischer Einheit geprägt war, stellte Prof. Joseph Bayeh eine düstere Prognose für den heutigen Nahen und Mittleren Osten auf: Da der Islam bislang nicht durch eine Phase der Aufklärung gegangen sei und sich in der Region ebenso wenig eine säkulare liberal-demokratische Tradition entwickeln konnte, stehe zu befürchten, dass die einzig realistische Entwicklung entweder in Richtung militärbasierte Diktatur oder radikal-islamische Theokratie gehen dürfte. Diese These wurde von seinen beiden Mitdiskutanten, Dr. Alexander Niedermeier vom Institut für Politische Wissenschaft und bisher Gastdozent an mehreren Universitäten des Nahen Ostens einerseits und Dr. Ridder, ebenfalls mit Regionalerfahrung und Experte für EU-Forschung, aufgegriffen und differenziert diskutiert. Dr. Niedermeier ging hierbei vor allem auf die Entwicklung unterschiedlicher Verfassungen arabisch-islamischer Staaten sowie des Iran ein und stellte die Rolle islamischen Rechts sowie westlicher Verfassungselemente, die sich jeweils finden lassen, einander gegenüber und erläuterte hierbei die Implikationen für die jeweiligen Gesellschaften. Gleichzeitig stellte er die Verfassungsansprüche denen der teils erheblich hiervon abweichenden Verfassungsrealitäten gegenüber. Dr. Ridder, der nicht nur Politikwissenschaftler sondern auch Historiker ist, gelang es, anhand mehrere historischer Vergleiche aktuelle Entwicklungen in der Region aus einem weiteren Blickwinkel heraus zu bewerten und somit einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn zu erzielen.
Einen weiteren Schwerpunkt der Diskussion bildete der sogenannte Islamische Staat (IS, Daesh). Während Prof. Bayeh die jüngsten Entwicklungen im Irak, Syrien und Libanon analysierte, fokussierte Dr. Niedermeier ergänzend auf staatstheoretische und ideengeschichtliche Aspekte, insbesondere die Entwicklung der Kalifatstheorie und deren Rezeption durch unterschiedliche islamistische Akteure in der Region. Dr. Ridder ergänzte in diesem Zusammenhang zudem die unterschiedlichen Rezeptionen von IS und anderen islamistischer Gruppierungen aus europäischer Perspektive.
Mit der Öffnung der Diskussion hin zum Plenum wurden vor allem Fragen zur aktuellen Situation in Ägypten in den Diskurs eingebracht. Insbesondere die Desillusionierung vieler junger Menschen, die sich angesichts des Arabischen Frühlings große Hoffnung auf die Herausbildung einer wahrhaft liberal-demokratischen, pluralistischen Gesellschaftsordnung gemacht hatten, wurde hierbei immer wieder thematisiert. Die eingangs genannte pessimistische These Bayehs, wonach die Wahl letztlich zwischen Diktatur und Gottesstaat zu treffen sein, wurde dabei zumindest dahingehend ergänzt und relativiert, dass eine temporäre Entwicklung hin zu autoritäreren Strukturen dazu beitrage, religiösen Extremismus zu bekämpfen und zugleich eine sozio-politische wie sozio-ökonomische Stabilisierung die Basis für einen zumindest langfristigen Wandel der politischen Kultur hin zu einer liberal-demokratischen Ordnung bereiten könne.
Insgesamt stellte der Workshop einen gelungenen Abschluss der Gastdozentur von Prof. Bayeh von der Universität Balamand dar, der sich insbesondere auch positiv mit Blick auf eine künftige engere Zusammenarbeit beider Universitäten auf dem Gebiet der Politikwissenschaft und namentlich der Internationalen Beziehungen äußerte. Bereits jetzt steht fest, dass im kommenden Wintersemester ein Studierender nach Tarabulus gehen wird, zwei weitere Gastdozenturaufenthalte von Lehrenden der Universität Balamand an der FAU stehen ebenfalls für das Wintersemester 2018/19 im Raum.