Eine Krise der Regierenden und der Demokratie – Diskussionsveranstaltung zu den Europawahlen
Am 1. Juli 2024 fand im Senatssaal der FAU als Teil der Reihe „Die EU vor den Wahlen“ (organisiert von Prof. Dr. Sandra Eckert und Prof. Dr.Petra Bendel) eine politikwissenschaftliche Podiumsdiskussion zum Ausgang und zur Bedeutung der diesjährigen Europawahlen statt. Vertreten war auf dem Panel mit Prof. Dr. Sandra Eckert (FAU) und Prof. Ingeborg Tömmel (Universität Osnabrück) Expertise aus der Europaforschung, mit Prof. Dr. Susanne Pickel (Universität Duisburg-Essen) und Prof. Dr. Constantin Wurthmann (FAU) Expertise aus der Wahl- und Einstellungsforschung. Die Moderation oblag Dr. Simon Primus (FAU).
Ingeborg Tömmel erläuterte in ihrem Eingangsstatement zunächst das Wahlverfahren im deutschen Kontext und kritisierte die Entscheidung, für die Europawahlen die Fünfprozenthürde außer Kraft zu setzen, da dies die Bildung starker Koalitionen im ohnehin sehr fragmentierten Parlament erschwere. Zudem erläuterte sie, warum das Spitzenkandidatenverfahren aus ihrer Sicht dem besonderen institutionellen Kontext der EU nicht gerecht werde und als dysfunktionale Politisierung problematisch einzuordnen sei. Susanne Pickel hob hervor, dass der Wahlausgang vor allem aufgrund des Rechtsrucks „in der zweiten Reihe“ problematisch sei – rechte Parteien seien insbesondere auch in Mittel- und Osteuropa auch jenseits der sehr sichtbaren Rechtsaußenparteien im Aufstieg begriffen. Sandra Eckert nahm auf den Begriff der Europawahlen als „zweitrangige“ Wahlen (second order elections) Bezug und konstatierte, dass die Auswirkungen etwa durch die Neuwahlen in Frankreich als Konsequenz der Europawahlen diesbezüglich gravierend seien. Das Europaparlament selbst sah sie vor weniger drastischen Veränderungen, da aufgrund der zunehmenden Fragmentierung gerade auch der politischen Rechten und der schwierigen Fraktionsbildung die faktische Machtverschiebung nicht mit der Sitzverteilung einhergehe. Constantin Wurthmann beurteilte den Wahlausgang als Indiz einer Krise der Regierenden und einer Vertrauenskrise, und das in ganz Europa. Die populistischen Parteien, so Pickel, würden diese Vertrauenskrise gezielt befeuern. Frau Prof. Pickel hob zudem hervor, dass einem niedrigen Vertrauen in Institutionen oft die Wahrnehmung einer mangelhaften Regierungsleistung zu Grunde liegt. Im Verlauf der Diskussion präsentierte Simon Primus Ergebnisse einer am Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft vor den Wahlen durchgeführten Umfrage in Österreich und Deutschland, die die These einer Vertrauenskrise weiter stützen konnten, insbesondere mit Blick auf Wähler und Wählerinnen populistischer Parteien.